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2025-01-17 17:09:28 -05:00

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title = "At Home / In Transit"
author = ["Valentin Boettcher"]
categories = ["Uncategorized"]
draft = true
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Ich ziehe sehr ernsthaft in Erwaegung hinzuschmeissen.
Man stelle sich vor man bewandert eine Bergkette. Der erste Gipfel ist
wirkt einschüchternd -- ist schon aus der Entfernung zu erkennen. Man
sucht sich seine Ausrüstung sorgfältig aus und plant die
Route. Sicher, einige Dinge werden auf der Strecke bleiben, aber am
Ende wird doch alles geregelt ablaufen. Aber nach dem ersten Gipfel
setzt sich die Bergkette fort und man beginnt, den "Ballast"
abzuwerfen und alles links liegen zu lassen, nur um endlich das Tal
hinter der Spitze zu sehen. Natürlich gibt es das Tal nicht, zumindest
nicht wie zu Zeiten meines Bachelorstudiums -- ausser man ignoriert
einfach die Berge fuer eine Weile.
Das Modell ein paar Monate auf Verschleiß zu fahren und alles andere
links liegen zu lassen ist nicht nachhaltig. Manche brennen so fuer
ihre Forschung, dass sie genau das machen können, allen voran mein
Betreuer[^fn:1]. Entweder habe ich noch nichts gefunden was mich wirklich
interessiert, oder ich ticke halt anders. Natuerlich ist es grandios
ein PhD Student zu sein: all die Freiheit, flexible Arbeitszeiten,
Montreal, Konferenzen, etc... Aber die Angst versauert es einem
gewaltig. Dann bricht die Disziplin weg und man gibt dem Weg des
geringsten Wiederstandes nach. Man bleibt bis spaet am Abend im Buero
und laesst alles andere Schleifen. Selbst Erholung wird zur
Aufgabe. Die Freiheit ist auch ein Fluch. Staendig versuche ich
moeglichst "Produktiv" zu sein und gebe mir nie genug Zeit vernuenftig
nachzudenken.
All dies und noch mehr sind Faktoren, welche voellig unabhaengig vom
eigentlichen Projekt an dem ich arbeite. Vielleicht liegt es daran,
dass ich gewissermassen gezwungen wurde an etwas zu Arbeiten was ich
anfaenglich fuer Sinnlos hielt. Dieses Resentiment und meine
Starrsinnigkeit tragen bis heute dazu bei, dass ich meine Meinung
ueber das Projekt nicht wirklich veraendert habe. Ich bin bei fast
jedem Treffen mit unseren Kollaborateueren gereizt -- aus
Enttäuschung. Ich bin enttaeuscht weil das Thema so "doof ist" und ich
lieber an etwas "coolerem" arbeiten will (auf der anderen Seite ist
das Grass immer gruener). Noch viel mehr enttaeuscht, ja beschaemt,
mich mein langsamer Fortschritt. All das ist natuerlich hochgradig
subjektiv und warscheinlich nicht einmal zutreffend, aber wenn man 90%
der Zeit damit zubringt, sich so zu fuehlen macht nichts mehr Freude
im Leben.
Da es mir im Master aehnlich ging bezweifle ich mittlerweile, dass ein
Wechsel helfen wuerde. Es ist an mir: entweder ich Krieg "meinen
Scheiss auf die Reihe", oder ich suche mir eine andere Profession.
Das mag jetzt alles uebermaessig negativ klingen, aber es gibt auch
Licht am Horizont. Ich glaube, ich konnte meinem Betreuer letzten
Mittwoch klarmachen, wie weit ich mit dem aktuellen Projekt noch
mitgehe und dass sich unsere Ansichten unterscheiden. Zwar versucht er
immer noch an jeder stelle, alles mit dieser einen Idee zu verspinnen,
aber ich denke, dass ich mich nun mit meiner Meinung durchsetzen
kann. Letztes Semester bestand ich das "Prelim Exam", den
"Idioten-Filter" und musste dafuer auch einen "Bericht" schreiben. Ich
habe die Gelegenheit genutzt mich mal ein wenig im Feld umzusehen und
konkrete Projektideen zu entwickel, auch wenn ich das Gefuehl habe,
dass mein Betreuer diese nicht so interessant findet. Aber das ist
_sein_ Problem! Ich denke, dass ich nach einem weiteren crash-reset
cycle ueber Weihnachten wieder einen klareren Kopf bekomme und
hoffentlich im neuen Jahr daraus lerne.
Ein weiterer Faktor in meiner Misere war, dass ich zu vieles
gleichzeitig jongliert habe und dass nicht wirklich effizient. Alles
in allem hatte ich letztes Semester folgende verpflichtungen:
1. PhD Projekt
2. Paper mit der Gruppe in Dresden
3. Prelim Exam: Bericht und muendliche Pruefung
4. FRQNT Stipendiumsbewerbung: Eine Woche voll munterer Hektik. Ich
war gerade mit meinem Prelim-Bericht fertig geworden...
5. CMC Workshop: Im Juni nahm ich an einem Workshop teil, indem wir
in die Kunst der Supraleitenden Quantenschaltkreise eingefuehrt
wurden. Dem schloss sich eine Gruppenarbeit an, in deren Verlauf
man einen eigenen Schaltkreis entwirft, fabriziert und
testet. Unsere Gruppe gewann im Juni den Projekt-Vorschlags-Wettbewerb.
6. Lehre: Ich habe den Kurs "Computational Physics" mitbetreut und
durfte auch Zwei-1/2 Hausaufgaben bewerten. Ein GRAUEN. Ich habe
mich damals ueber den CP Kurs in Dresden beschwert, da ich mehr
Zeit auf Form als auf das Loesen der Aufgabe verwenden musste. Aber
es stellt sich herraus: Ohne Form ist das Bewerten der Hausaufgaben
recht anspruchsvoll und es ist schwiereg bei 40+ Studenten
konsistent zu bleiben. Besonders wenn der Code subtil Falsch ist,
weil niemand sich damit beschaeftigt warum globale Variablen
schlecht sind. Nachdem ich nach dem Bewerten meiner ersten
Hausaufgabe (der zweiten Abgaben der Studenten) einigermassen
geschockt war, schrieb ich ersteinmal einen
[halben Roman](https://andrewcumming.github.io/phys512/homework_notes/hw2_common_issues.html). Doch es ist alles vergebene Liebesmuehe, denn selbst der
Professor schreibt teilweise schrecklichen Code in seinen
Musterloesungen. Naja, ich bin da also etwas zu pedantisch. Leider
waren einige der Hausaufgaben fast unmoeglich richtig zu
beantworten, da die Zielvorgaben sehr schwammig formuliert
waren. Das ist natuerlich zu erwarten, wenn der Kurs zum ersten mal
durch einen neuen Professor gegeben wurde. Alles in allem war
dieser ein sehr netter Boss und auch in seiner Lehre sehr
kompetent. Das ist alles Meckern auf hohem Niveau, aber das TAing
hat echt ne Menge Zeit gefressen. Das liegt warscheinlich auch an
meinem Mangel an Erfahrung.
Das prelim exam habe ich etwas antiklimaktisch bestanden. Die FRQNT
Bewerbung wurde zumindest bisher nicht aus Formgruenden
abgewiesen. Und die Lehre gehoert natuerlich einfach zum spass. Ich
habe schon wieder ins Klo gegriffen und darf auch naechstes Semester
einen first-timer Kurs betreuen.
Gluecklicherweise ist das Paper mit Dresden jetzt so ziemlich
abgehakt, sodass diese Last von mir genommen ist. Natuerlich kommt
nochmal ein Batzen Referee-Feedback auf uns zu, was warscheinlich
nicht ganz-ohne ist. Ebenso habe ich meinen Teil fuer das CMC projekt
vorerst getan. Wir haben sogar den zweiten Wettbewerb gewonnen. Fuer
diesen musste man sein konkretes Design vorstellen. Ich denke, wir
haben den Preis nicht verdient, da nichts an unserem Design konkret
war und auch die Gruppenkommunikation so ziemlich vor die Hunde
gegangen ist. Im Vorfeld der Praesentation letzten Dienstag hatten nur
Zwei von Sechs Gruppenmitgliedern einen substantiellen Beitrag
geleistet. Und diese Beitraege wiederum wiedersprachen sich, weil man
_absolut nich kommuniziert_ hat... Ich habe ziemlich viel Zeit darauf
verwended die basics zu verstehen und die groben design-parameter
herzuleiten. Ehrlich gesagt verstehe ich von der Materie immer noch
viel zu wenig, aber das wird bei einem neben-projekt fuer welches ich
ebenfalls nicht feuer-und-flamme bin wohl so bleiben. Ein anderes
Gruppenmitglied mit erfahrung in dem Feld hat Munter simulationen
laufen lassen, allerdings gaenzlich abseits von meinen Design
vorschlaegen und mit wenig Zusammenhang mit unseren Zielen. Leider
habe ich nicht wirklich verstanden, was er eigentlich gemacht hat und
kann nicht beurteilen inwiefern sein Beitrag hilfreich war. Auf jeden
fall konnten wir die Jury ueberzeugen, was wieder einmal zeigt, dass
man mit jedem Bullshit durchkommen kann. Ich musste waerend der
Praesentation die Webcam abschalten, damit nicht zu sehen war, wie ich
mir die Haende vor die Augen schlug. Nun, ich denke persoenlich, dass
die anderen nicht wirklich wissen worauf wir uns da eingelassen
haben. Andererseits habe ich die Tendenz, die Dinge zu ernst zu
nehmen.
Genug Rumgeheule :). Ich glaube es wird klar, welch Tohu wa-bohu
gerade in meinem Kopf vor sich geht. Hard reset and start anew...
Letzte Woche war ich schon endgueltig im vor-dem-urlaub-abhaken modus
und demenstrprechend viel meine Arbeitsmoral aus. Ich habe dann aber
quantitativ-gemmessen doch erstaunlich viel hinbekommen.
Im verlaufe des Jahres ist mir Montreal zur Heimat geworden. Auf dem
weg zur Uni bin ich jedes mal Begeistert von der Skyline. Gleichzeitig
kann habe ich im Sommer die gruene Oase des Mont-Royal um die Ecke,
die sich zur kalten Jahreszeit zum Winter-Wunder-Land. Jedes mal, wenn
ich aus der Mont-Royal Metro Station steige, denke ich mir: "Welch ein
Glueck habe ich in diesem Viertel zu leben". Sogar der Brutalismus in
der Architektur und die "schlampigkeit" des Erscheinungsbildes der
Stadt fangen mir an zu gefallen. Stockholm syndrom... wer weiss.
In meiner Weisheit habe ich den guenstigsten Flug gebucht und
natuerlich war Ebendieser nicht ohne Grund so guenstig. American
Airlines, die Airline mit der ich Flieger, hat in Charlotte (North
Carolina) ihren grossen Verteiler. Nun gibt es von den meisten
Nordamerikanischen Staedten Zulieferfluege zu denen auch der meinige
aus Montreal zaehlte. Der haken war die fruehe Abflugszeit, 7:30 Uhr
am morgen. Not to bad, denkt man sich. Aber da der Flug technisch als
Inlandsflug gefuehrt wird, muss man noch durch die Amerikanische
Zollkontrolle. Es wird empfolen vier Stunden vor Abflug am Flughafen
zu erscheinen, also um 3:30 Uhr in meinem Fall. Die einzige
Busverbindung von meiner Wohnung zum Flughafen ging um 2:09 Uhr womit
mir nach Aufregung und abendlichen Putzwahn [^fn:2] nur ein-zwei Stunden
Schlaf. Aber ich bin jung und dynamisch. Ich kann das ab. Was ich
allerdings nicht bedacht hatte war, dass die Busverbindung eine
ziemlich kurze Umsteigezeit hatte (6 Minuten). Und als dann der Buss
auf sich warten lies (mehr als 6 Minuten :P) blieb mir nichts anderes
uebrig, als ein Taxi zu nehmen. Ich war schon halb dabei die Uber app
einzurichten (Warum hatte ich die deinstalliert? Warum funktionierte
mein bestehendes Konto nicht?) als just ein leeres Taxi langsam an mir
Vorbeirollte. Schoenerweise war es sogar ein "echtes" und hatte somit
einen Fixpreis fuer die Route zum Flughafen.
Der Taxifahrer war wohl recht neu im Job und wusste sich nicht
einzufaedeln am Flughafen, aber dennoch kahmen wir
[^fn:1]: Was aber nicht bedeutet, dass er das Selbe von mir
erwartet.
[^fn:2]: natuerlich vollkommen
Sinnlos angesichts meiner einmonatigen Abwesenheit in der mein
Mitbewohner alles gruendlich einsauen wird.