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title = "At Home / In Transit"
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author = ["Valentin Boettcher"]
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categories = ["Uncategorized"]
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draft = true
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Ich ziehe sehr ernsthaft in Erwaegung hinzuschmeissen.
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Man stelle sich vor man bewandert eine Bergkette. Der erste Gipfel ist
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wirkt einschüchternd -- ist schon aus der Entfernung zu erkennen. Man
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sucht sich seine Ausrüstung sorgfältig aus und plant die
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Route. Sicher, einige Dinge werden auf der Strecke bleiben, aber am
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Ende wird doch alles geregelt ablaufen. Aber nach dem ersten Gipfel
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setzt sich die Bergkette fort und man beginnt, den "Ballast"
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abzuwerfen und alles links liegen zu lassen, nur um endlich das Tal
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hinter der Spitze zu sehen. Natürlich gibt es das Tal nicht, zumindest
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nicht wie zu Zeiten meines Bachelorstudiums -- ausser man ignoriert
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einfach die Berge fuer eine Weile.
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Das Modell ein paar Monate auf Verschleiß zu fahren und alles andere
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links liegen zu lassen ist nicht nachhaltig. Manche brennen so fuer
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ihre Forschung, dass sie genau das machen können, allen voran mein
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Betreuer[^fn:1]. Entweder habe ich noch nichts gefunden was mich wirklich
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interessiert, oder ich ticke halt anders. Natuerlich ist es grandios
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ein PhD Student zu sein: all die Freiheit, flexible Arbeitszeiten,
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Montreal, Konferenzen, etc... Aber die Angst versauert es einem
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gewaltig. Dann bricht die Disziplin weg und man gibt dem Weg des
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geringsten Wiederstandes nach. Man bleibt bis spaet am Abend im Buero
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und laesst alles andere Schleifen. Selbst Erholung wird zur
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Aufgabe. Die Freiheit ist auch ein Fluch. Staendig versuche ich
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moeglichst "Produktiv" zu sein und gebe mir nie genug Zeit vernuenftig
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nachzudenken.
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All dies und noch mehr sind Faktoren, welche voellig unabhaengig vom
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eigentlichen Projekt an dem ich arbeite. Vielleicht liegt es daran,
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dass ich gewissermassen gezwungen wurde an etwas zu Arbeiten was ich
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anfaenglich fuer Sinnlos hielt. Dieses Resentiment und meine
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Starrsinnigkeit tragen bis heute dazu bei, dass ich meine Meinung
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ueber das Projekt nicht wirklich veraendert habe. Ich bin bei fast
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jedem Treffen mit unseren Kollaborateueren gereizt -- aus
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Enttäuschung. Ich bin enttaeuscht weil das Thema so "doof ist" und ich
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lieber an etwas "coolerem" arbeiten will (auf der anderen Seite ist
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das Grass immer gruener). Noch viel mehr enttaeuscht, ja beschaemt,
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mich mein langsamer Fortschritt. All das ist natuerlich hochgradig
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subjektiv und warscheinlich nicht einmal zutreffend, aber wenn man 90%
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der Zeit damit zubringt, sich so zu fuehlen macht nichts mehr Freude
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im Leben.
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Da es mir im Master aehnlich ging bezweifle ich mittlerweile, dass ein
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Wechsel helfen wuerde. Es ist an mir: entweder ich Krieg "meinen
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Scheiss auf die Reihe", oder ich suche mir eine andere Profession.
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Das mag jetzt alles uebermaessig negativ klingen, aber es gibt auch
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Licht am Horizont. Ich glaube, ich konnte meinem Betreuer letzten
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Mittwoch klarmachen, wie weit ich mit dem aktuellen Projekt noch
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mitgehe und dass sich unsere Ansichten unterscheiden. Zwar versucht er
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immer noch an jeder stelle, alles mit dieser einen Idee zu verspinnen,
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aber ich denke, dass ich mich nun mit meiner Meinung durchsetzen
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kann. Letztes Semester bestand ich das "Prelim Exam", den
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"Idioten-Filter" und musste dafuer auch einen "Bericht" schreiben. Ich
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habe die Gelegenheit genutzt mich mal ein wenig im Feld umzusehen und
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konkrete Projektideen zu entwickel, auch wenn ich das Gefuehl habe,
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dass mein Betreuer diese nicht so interessant findet. Aber das ist
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_sein_ Problem! Ich denke, dass ich nach einem weiteren crash-reset
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cycle ueber Weihnachten wieder einen klareren Kopf bekomme und
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hoffentlich im neuen Jahr daraus lerne.
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Ein weiterer Faktor in meiner Misere war, dass ich zu vieles
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gleichzeitig jongliert habe und dass nicht wirklich effizient. Alles
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in allem hatte ich letztes Semester folgende verpflichtungen:
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1. PhD Projekt
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2. Paper mit der Gruppe in Dresden
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3. Prelim Exam: Bericht und muendliche Pruefung
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4. FRQNT Stipendiumsbewerbung: Eine Woche voll munterer Hektik. Ich
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war gerade mit meinem Prelim-Bericht fertig geworden...
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5. CMC Workshop: Im Juni nahm ich an einem Workshop teil, indem wir
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in die Kunst der Supraleitenden Quantenschaltkreise eingefuehrt
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wurden. Dem schloss sich eine Gruppenarbeit an, in deren Verlauf
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man einen eigenen Schaltkreis entwirft, fabriziert und
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testet. Unsere Gruppe gewann im Juni den Projekt-Vorschlags-Wettbewerb.
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6. Lehre: Ich habe den Kurs "Computational Physics" mitbetreut und
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durfte auch Zwei-1/2 Hausaufgaben bewerten. Ein GRAUEN. Ich habe
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mich damals ueber den CP Kurs in Dresden beschwert, da ich mehr
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Zeit auf Form als auf das Loesen der Aufgabe verwenden musste. Aber
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es stellt sich herraus: Ohne Form ist das Bewerten der Hausaufgaben
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recht anspruchsvoll und es ist schwiereg bei 40+ Studenten
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konsistent zu bleiben. Besonders wenn der Code subtil Falsch ist,
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weil niemand sich damit beschaeftigt warum globale Variablen
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schlecht sind. Nachdem ich nach dem Bewerten meiner ersten
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Hausaufgabe (der zweiten Abgaben der Studenten) einigermassen
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geschockt war, schrieb ich ersteinmal einen
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[halben Roman](https://andrewcumming.github.io/phys512/homework_notes/hw2_common_issues.html). Doch es ist alles vergebene Liebesmuehe, denn selbst der
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Professor schreibt teilweise schrecklichen Code in seinen
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Musterloesungen. Naja, ich bin da also etwas zu pedantisch. Leider
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waren einige der Hausaufgaben fast unmoeglich richtig zu
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beantworten, da die Zielvorgaben sehr schwammig formuliert
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waren. Das ist natuerlich zu erwarten, wenn der Kurs zum ersten mal
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durch einen neuen Professor gegeben wurde. Alles in allem war
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dieser ein sehr netter Boss und auch in seiner Lehre sehr
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kompetent. Das ist alles Meckern auf hohem Niveau, aber das TAing
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hat echt ne Menge Zeit gefressen. Das liegt warscheinlich auch an
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meinem Mangel an Erfahrung.
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Das prelim exam habe ich etwas antiklimaktisch bestanden. Die FRQNT
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Bewerbung wurde zumindest bisher nicht aus Formgruenden
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abgewiesen. Und die Lehre gehoert natuerlich einfach zum spass. Ich
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habe schon wieder ins Klo gegriffen und darf auch naechstes Semester
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einen first-timer Kurs betreuen.
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Gluecklicherweise ist das Paper mit Dresden jetzt so ziemlich
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abgehakt, sodass diese Last von mir genommen ist. Natuerlich kommt
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nochmal ein Batzen Referee-Feedback auf uns zu, was warscheinlich
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nicht ganz-ohne ist. Ebenso habe ich meinen Teil fuer das CMC projekt
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vorerst getan. Wir haben sogar den zweiten Wettbewerb gewonnen. Fuer
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diesen musste man sein konkretes Design vorstellen. Ich denke, wir
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haben den Preis nicht verdient, da nichts an unserem Design konkret
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war und auch die Gruppenkommunikation so ziemlich vor die Hunde
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gegangen ist. Im Vorfeld der Praesentation letzten Dienstag hatten nur
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Zwei von Sechs Gruppenmitgliedern einen substantiellen Beitrag
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geleistet. Und diese Beitraege wiederum wiedersprachen sich, weil man
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_absolut nich kommuniziert_ hat... Ich habe ziemlich viel Zeit darauf
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verwended die basics zu verstehen und die groben design-parameter
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herzuleiten. Ehrlich gesagt verstehe ich von der Materie immer noch
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viel zu wenig, aber das wird bei einem neben-projekt fuer welches ich
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ebenfalls nicht feuer-und-flamme bin wohl so bleiben. Ein anderes
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Gruppenmitglied mit erfahrung in dem Feld hat Munter simulationen
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laufen lassen, allerdings gaenzlich abseits von meinen Design
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vorschlaegen und mit wenig Zusammenhang mit unseren Zielen. Leider
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habe ich nicht wirklich verstanden, was er eigentlich gemacht hat und
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kann nicht beurteilen inwiefern sein Beitrag hilfreich war. Auf jeden
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fall konnten wir die Jury ueberzeugen, was wieder einmal zeigt, dass
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man mit jedem Bullshit durchkommen kann. Ich musste waerend der
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Praesentation die Webcam abschalten, damit nicht zu sehen war, wie ich
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mir die Haende vor die Augen schlug. Nun, ich denke persoenlich, dass
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die anderen nicht wirklich wissen worauf wir uns da eingelassen
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haben. Andererseits habe ich die Tendenz, die Dinge zu ernst zu
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nehmen.
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Genug Rumgeheule :). Ich glaube es wird klar, welch Tohu wa-bohu
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gerade in meinem Kopf vor sich geht. Hard reset and start anew...
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Letzte Woche war ich schon endgueltig im vor-dem-urlaub-abhaken modus
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und demenstrprechend viel meine Arbeitsmoral aus. Ich habe dann aber
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quantitativ-gemmessen doch erstaunlich viel hinbekommen.
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Im verlaufe des Jahres ist mir Montreal zur Heimat geworden. Auf dem
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weg zur Uni bin ich jedes mal Begeistert von der Skyline. Gleichzeitig
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kann habe ich im Sommer die gruene Oase des Mont-Royal um die Ecke,
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die sich zur kalten Jahreszeit zum Winter-Wunder-Land. Jedes mal, wenn
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ich aus der Mont-Royal Metro Station steige, denke ich mir: "Welch ein
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Glueck habe ich in diesem Viertel zu leben". Sogar der Brutalismus in
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der Architektur und die "schlampigkeit" des Erscheinungsbildes der
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Stadt fangen mir an zu gefallen. Stockholm syndrom... wer weiss.
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In meiner Weisheit habe ich den guenstigsten Flug gebucht und
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natuerlich war Ebendieser nicht ohne Grund so guenstig. American
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Airlines, die Airline mit der ich Flieger, hat in Charlotte (North
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Carolina) ihren grossen Verteiler. Nun gibt es von den meisten
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Nordamerikanischen Staedten Zulieferfluege zu denen auch der meinige
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aus Montreal zaehlte. Der haken war die fruehe Abflugszeit, 7:30 Uhr
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am morgen. Not to bad, denkt man sich. Aber da der Flug technisch als
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Inlandsflug gefuehrt wird, muss man noch durch die Amerikanische
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Zollkontrolle. Es wird empfolen vier Stunden vor Abflug am Flughafen
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zu erscheinen, also um 3:30 Uhr in meinem Fall. Die einzige
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Busverbindung von meiner Wohnung zum Flughafen ging um 2:09 Uhr womit
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mir nach Aufregung und abendlichen Putzwahn [^fn:2] nur ein-zwei Stunden
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Schlaf. Aber ich bin jung und dynamisch. Ich kann das ab. Was ich
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allerdings nicht bedacht hatte war, dass die Busverbindung eine
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ziemlich kurze Umsteigezeit hatte (6 Minuten). Und als dann der Buss
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auf sich warten lies (mehr als 6 Minuten :P) blieb mir nichts anderes
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uebrig, als ein Taxi zu nehmen. Ich war schon halb dabei die Uber app
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einzurichten (Warum hatte ich die deinstalliert? Warum funktionierte
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mein bestehendes Konto nicht?) als just ein leeres Taxi langsam an mir
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Vorbeirollte. Schoenerweise war es sogar ein "echtes" und hatte somit
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einen Fixpreis fuer die Route zum Flughafen.
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Der Taxifahrer war wohl recht neu im Job und wusste sich nicht
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einzufaedeln am Flughafen, aber dennoch kahmen wir
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[^fn:1]: Was aber nicht bedeutet, dass er das Selbe von mir
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erwartet.
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[^fn:2]: natuerlich vollkommen
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Sinnlos angesichts meiner einmonatigen Abwesenheit in der mein
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Mitbewohner alles gruendlich einsauen wird.
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