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2022-03-11 18:20:01 +01:00

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TeX

\chapdate{23.11.2016}
\chapter{Fiji}
Frisch aus dem Urlaub im Urlaub.
Ich grüße von Fiji, denn ich schreibe diesen Eintrag schon auf der
Insel und veröffentliche ihn erst jetzt. Ein paar wunderbare und
sehr komfortable Tage waren es. Wir wohnen hier in einem sehr schönen
Ferienhaus mit Pool, Meeresblick (bzw. Sonnenuntergangsblick) und
erfrischender Brise zur Abendstunde. Viel Entspannung und viel
Freizeit. Das ganze erinnert mich an Gozo mit ein bisschen mehr grün,
aber der gleichen Hitze.
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\centering
\includegraphics[width=\textwidth]{12/view.JPG}
\mycap{Aussicht von unserm Domiziel.}
\end{figure}
Wir haben auch zwei ``Bedienstete'', die das Haus in Ordnung halten
und kochen. Auch wenn sie für Bezahlung arbeiten, so kann ich es doch
nicht ab, bedient zu werden als stände ich über anderen. Nun überfällt
mich also immer ein gewisses Unbehagen, wenn ich sie arbeiten sehe und
ich versuche ab und an zu helfen.
Als wir am ersten Tag in die Stadt fuhren, um einzukaufen, durfte ich
erfahren, was ein echter Markt ist: viele kleine Stände mit frischem
Gemüse und allerhand interessanten Kleinigkeiten. Um die nötigen
Preisverhandlungen kümmerte sich unserer lokaler Führer Stanley. Auf
dem Weg zurück fiel mir dann auf, wie arm das Land Fiji ist. Der
Großteil der Bevölkerung lebt in Wellblechhütten und unsere
``Bediensteten'' schätzen sich mit einen überdurchschnittlich hohen
Monatslohn von umgerechnet weniger als 300 Euro glücklich, wobei die
Lebensmittelpreise auch gesalzen sind.
Da ich gerade die Beweismethode der vollständigen Induktion verstanden
hatte, suchte mein Geist nach einem neuen Problem und so stürzte mich
die Ungleichheit auf der Welt in eine tiefe Verzweiflung. Wie kann es
sein, dass ich so ein Glück habe und in Fiji auf einem Hügel (ja, auch
im geographischen Sinne) über den in Armut Lebenden Urlaub mache. Wie
kann es sein, dass ich mir dieser Ungerechtigkeit bewusst war und dass
sie mich aber nicht schon früher zur Verzweiflung getrieben hat. Wenn
nur die geringste Möglichkeit besteht etwas ändern zu können, warum
sollte ich nicht meine ganze Kraft darauf verwenden, anstatt zu
entspannen. Nun, da ich bei diesen Fragen zu keiner
zufriedenstellenden Lösung kam, rumorte das Thema in meinen Gedanken
(und im Chat mit Nicolai, der sich das gleiche schon etwas früher als
ich gefragt hat).
Arme und unterentwickelte Länder bleiben unterentwickelt und werden
ärmer. Nur, wenn wir ``entwickelten'' in unserem Eigennutz genau diese
Umstände ausnutzen und geringe Löhne zahlen (siehe unsere
``Bediensteten'') oder Land kaufen, um dann große Villen mit den
eigenen Arbeitern anstatt den einheimischen zu bauen. All das zu
verhindern ist schwierig, aber nicht unmöglich, wenn man im Alltag
bewusster darauf achtet, wo denn all das Zeug, was man so günstig
kauft, herkommt. Auch sollte man natürlich nicht wirtschaften, um
eigennützig Reichtum zu akkumulieren und auch einmal an andere denken.
All das entspricht so ziemlich der christlichen (oder allgemein
religiösen) Lehre und wir tun nach wie vor gut daran, danach zu leben.
Ok, andere nennen das dann eben unsere ``Werte''. Man vergisst das
alles aber sehr schnell und erkennt es nur wieder, wenn man mit der
Nase darauf gestoßen wird. Ich mit meiner kleinen Reise nach
Neuseeland habe ja noch eigennütziger gehandelt, hätte ich ja auch
nach Afrika gehen können, um zu helfen. Punkt. Das also als Auszug aus
meinen Gedanken.
Nun sehe ich aber auch, dass die Leute hier glücklich, ja wirklich
glücklich sind. Wahrscheinlich sogar glücklicher als wir, die wir uns
sorgenfrei neue Sorgen schaffen und das dann Fortschrittlichkeit
nennen. Unsere Maßstäbe passen nicht überall, Werte aber manchmal
schon eher. Auch wenn die Leute glücklich sind, sollte man ihre Lage
nicht verschlechtern, nur um in seiner Richtung weiter zu kommen. Mit
welchem Recht zerstören wir eigentlich einen Planeten, auf dem sie
noch nicht einmal die Möglichkeit hatten genau so ``toll'' (schlimm)
wie wir zu werden. Wissen bringt ``Macht''. Naja wohl eher
``Freiheit''.
Hier auf Fiji weiß man um den westlichen Lebensstil und steht darüber,
auch wenn man den Touristen zuliebe ein paar Spiegelbilder aufstellt
und seine Sprache zu einem einzelnen Wort ``Bulla'' (``Hallo'')
verkrüppelt. Zur Erinnerung daran wird man dann von allen Seiten damit
beschmissen. Bulla sagt der Verkäufer, an dessen Stand ich einen
Bullachino bestelle, nachdem ich mir ein Bulla-Shirt (Fiji braucht ja
auch ''Hawai-Hemden'') bei Bulla-Looks (Ok, der Laden heißt
Jack's\ldots{} und ich habe mir keines gekauft) gekauft habe.
\begin{figure}[h]
\centering
\includegraphics[width=\textwidth]{12/daylight_view.JPG}
\mycap{\centering Die Korallen wurden von einem kleinen Tsunami in mitleidenschaft genommen.}
\end{figure}
Aber zurück zum Text. Würde hier jedes Kind Zugang zu Bildung haben,
so wäre es nicht zwangsläufig glücklicher, dafür jedoch freier zu
werden, was es eben werden will. Vielleicht ist das ein
Ansatzpunkt. Auch wenn ich aus dem Wust der Gedanken, den ich hier
nicht noch weiter ausrollen möchte, den ich aber in einer OneNote
Übersicht zu systematisieren versuche, noch keine klare Linie
herausziehen kann, so habe ich doch schon eine gewisse Synthese
gewonnen. Um so mehr der einzelne voran kommt, ohne andere zurück zu
stoßen, um so mehr kommt das Ganze voran. Um so besser der Einzelne
wird, ohne anderen zu schaden, um so besser wird das Ganze. Das klingt
in meinen Ohren recht egoistisch, ist jedoch das zufriedenstellendste,
das ich bisher hervorgebracht habe. Lebe, so gut du kannst, und
verschließe deine Augen nicht vor deinen Fehlern. Sollte ich einmal zu
Reichtum kommen, so setze ich ihn weise ein, sodass er zu einem
Reichtum aller wird. Holla, Marx grüßt.
Bis dann, alsbald, euer Valentin, der sich das Ganze endlich einmal
vom Herzen geschrieben hat.
Ps: Ich bin jetzt bei einem neuen Host und es ist wunderschön. Mehr
dazu später.